Kostenreduzierung, höhere Mandantenbindung und zufriedenere Mitarbeiter durch den Einsatz von Robotic Process Automation in der Steuerkanzlei – mehr dazu in unserem Artikel in der Ausgabe 1/2021 der Zeitschrift REthinking:Tax
Robotic Process Automation
in der Steuerkanzlei
Kostenreduzierung, höhere Mandantenbindung und zufriedene Mitarbeiter
durch gezielten Einsatz von Technologie
Text — Marcus Ferchland, Joachim Grouven
BOTARO ist ein Tax-Start-up, gegründet im Jahr 2020, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Robotic Process Automation (RPA) für den deutschen Steuerkanzleimarkt in der Breite nutzbar zu machen. Im Kern soll die Komplexität und Unsicherheit für die Mitarbeiter auf ein Minimum reduziert und zugleich die Mandantenzufriedenheit in das Zentrum des Handels gerückt werden. Das Start-up kombiniert die langjährigen Erfahrungen einer Einzelsteuerkanzlei in den Bereichen Konzeption, Entwicklung und Einsatz von RPA-Anwendungen mit den prozessualen Erfahrungen und Bedürfnissen einer großen Steuerberatungsgruppe. Aus dieser Symbiose entstanden auf Basis der systemunabhängigen RPA-Software von UiPath Anwendungen (im weiteren Verlauf Use Cases), die zu einer Bibliothek zusammengeführt wurden. Die Use-Case-Bibliothek ist Ergebnis jahrelanger Praxiserfahrung praktizierender Steuerberater und entsprechend passgenau auf die Bedürfnisse von Steuerkanzleien, Steuerberatern und ihren Mitarbeitenden zugeschnitten.
RPA im Zusammenhang mit
standardisierten Prozessen in der Kanzlei
Die Automatisierung von Geschäftsprozessen durch Software-Roboter (Bots) hat in den vergangenen zwei bis drei Jahren einen enormen Aufschwung erfahren. So ist der weltweite RPA-Umsatz 2019 um mehr als 60 Prozent gestiegen. Für das Jahr 2021 sagt Gartner gar einen RPA-Umsatz von weltweit ca. zwei Milliarden US-Dollar voraus. So war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis diese mittlerweile etablierteTechnologie auch denWeg in die Automatisierung von Abläufen innerhalb einer Steuerkanzlei finden würde. Neben dem zeitlichen Einsparpotenzial ist dabei regelmäßig auch eine positive Veränderung des Mindsets bei denMitarbeitern zu beobachten, aber dazu später mehr.
Aber was genau versteht man unter RPA? Bei RPA werden sich stets wiederholende, strukturierte und regelbasierte Aufgaben selbstständig durch Bots ausgeführt. Bildlich gesprochen sind Bots Marathonläufer, keine Sprinter. Die Bots können 24/7 laufen bzw. die ihnen übertragenen Aufgaben ausführen, was zugleich zu einer hohen Skalierbarkeit von RPA-Anwendungen führt. Dabei reagieren die Software-Roboter auf bestimmte Ereignisse („Trigger“), die automatisch oder manuell angestoßen werden. Einmal ausgelöst übernehmen die digitalen Assistenten repetitive Aufgaben, die in der Regel den größten Anteil an Zeit und Energie bei den jeweiligen MitarbeiterInnen in Anspruch nehmen. RPA erfordert dabei keine Implementierung neuer Prozesse oder Systeme, sondern arbeitet einfach und unkompliziert innerhalb der bekannten Benutzeroberfläche. Dies hat zum Vorteil, dass die Einstiegsschwelle zur Nutzung von RPA relativ niedrig ist. So wird RPA auch als das „Tor zur intelligenten Automatisierung“ betrachtet – oder wie Gartner den #1 Technology Trend für das Jahr 2020 ausgerufen hat: Hyperautomation. Schließlich gilt RPA als Brückentechnologie, die das Potenzial hat, weiteren Technologien wie z.B. dem Einsatz von KI-Anwendungen das Feld zu bereiten, ganz im Sinne von Hyperautomation.
Konzeptionelle Grundlage für RPA als Tax-Technology-Lösung
Um RPA gezielt in der Kanzlei einzusetzen, müssen vorab die jeweiligen Kernprozesse definiert werden:
- Managementprozesse
Kanzlei-, Dienstleistungs-,Mandats- und
Honorarpolitik - Leistungsprozesse Rechnungswesen (Finanz- u. Lohnbuchhaltung), Jahresabschluss und betriebliche Steuern, private Steuern, Steuerberatung (z.B. betriebswirtschaftliche und steuerliche Beratung)
- Unterstützungsprozesse Dokumenten- und Datenmanagement, Kooperationen, Kollaborationsplattformen
- Überwachungsprozesse Kontrolle, Nachschau, Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
Als weitere Dimensionen für das Design von RPA-Use Cases sind die sich im Einsatz befindlichen Applikationen sowie die korrespondierenden Daten in die Betrachtung einzubeziehen.
In der Gesamtschau ergibt sich das sog. „DPA-Dreieck“ für den RPA-Einsatz in Steuerkanzleien:
- Datenaktivierung (über einen Regelwerkassistenten)
- Prozesse (vier Kernprozesse der Kanzlei)
- Applikationen
Dabei gilt: Je vielschichtiger und je mehrdimensionaler, desto komplexer wird die Architektur eines Use Cases, desto größer sind aber auch zugleich die zu verzeichnenden Zeit- und Kostengewinne.
- Einfache Use Cases (EDU) zeichnen sich durch die einfache und eindimensionale Korrelation von RPA und Standardprozessen aus. Es handelt sich entsprechend um einen eindimensionalen Use Case.
- Ein mehrdimensionaler Use Case (MDU) vereint die verschiedenen DPA-Dimensionen in einemRPA-Bot und stellt somit einen komplexeren, aber auch wirkungsvolleren Use Case dar.
Für die weitere Umsetzung bedarf es der Evaluierung von Standards, Verknüpfungen und Automatismen in den zugrunde liegenden Kanzleiprozessen bzw. der eingesetzten Produktivsoftware. Drittprogramme bzw. Vor- und Nebensysteme erhöhen dabei regelmäßig die Komplexität. Da die betrachteten RPA-Use Cases bestehende Kanzleiprozesse „lediglich“ automatisieren, ist mithin zu überlegen, diese vorab zu optimieren bzw. innerhalb der Produktivsoftware zu standardisieren.
Vorgehensweise im Projekt
Zentraler Dreh- und Angelpunkt der nachfolgend zu betrachtenden Use Cases ist die Produktivsoftware der DATEV. Generisch bietet sich dabei ein prozessorientierter Ansatz an:
- Eine Standardisierung von Abläufen unter enger Verzahnung mit weiteren vor- und nachgelagerten Abläufen.
- Die Abläufe sind in einem zentralen und zusammenhängenden System implementiert, welches die vier zentralen Prozesse einer Kanzlei effektiv und weitestgehend automatisiert miteinander verknüpft.
- Individuelle Abläufe und die Zuschaltung von Fremdprogrammen erhöhen die monetären Prozesskosten, weshalb die Funktionalitäten und Möglichkeiten des zentralen Programms vorab komplett ausgeschöpft werden sollten.
Abbildung 2: Auszug aus der BOTARO-Bot-Bibliothek mit den später vorgestellten drei Use Cases
Diesem Ansatz folgend wurden in den Bereichen der Stammdaten, Auftragseinstellung, Faktura, Schriftgutverwaltung, Fristen- und Steuerbescheid- Prüfung zunächst bestehende Verknüpfungen zu den DATEV-Leistungs- und Managementprogrammen erarbeitet, um damit für die Prozesse einen möglichst allgemeingültigen Standardzuentwickeln. Diese Verzahnungder Verwaltungs- und Leistungsprogramme wurde grafisch in Abbildung 3 aufbereitet, wobei Lücken in der Grafik zugleich die zu identifizierenden fehlenden Automatismen darstellen, die in den DATEV-Programmen auftreten. Auf diese Weise lässt sich schließlich ein Standard für DATEV-Prozesse entwickeln, welcher zugleich die Basis für die Use Cases aus derBOTARO-Bot-Bibliothek bildet.
Vorstellung ausgewählter Use Cases
Im weiteren Verlauf sollen die drei Use Cases „FiBu-Monatsabschluss”, „Finishing“ sowie „Steuerbescheid-Prüfungsassistent” näher erläutert werden. Die entsprechenden RPA-Bots unterscheiden sich im Wesentlichen durch die Anzahl der eingebundenen Applikationen.
Für die RPA-Instanz FiBu-Monatsabschluss wird ausschließlich die DATEV-Applikation Kanzlei Rechnungswesen angesteuert. Hierfür stehen aktuell sechs RPA-Prozesse in der Bot-Bibliothek zur Verfügung. Der Use Case „Monatsabschluss – Abschreibungen buchen” illustriert das mögliche Potenzial. So übernimmt der Bot für die ihm „aufgetragenen“ Mandanten alle Buchungen im Kontext von Abschreibungen. Weitere Bots übernehmen Tätigkeiten in den Bereichen der Leistungs-, Unterstützungs- und Überwachungsprozesse.
Im Bereich des Ausdrucks von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen (Finishing) müssen die Programme
Im Bereich des Ausdrucks von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen (Finishing) müssen die Programme
- DATEV Kanzlei-Rechnungswesen
- DATEV Dokumentenmanagementsystem
- DATEV Schriftgutverwaltung
- Microsoft Word
- Steuerprogramme
durch den Bot angesteuert werden. Über eine Arbeitsliste erhält der Roboter alle erforderlichen AngabenzudenMandanten,dasVeranlagungsjahr, die Anzahl der Ausdrucke und die Information, welche Steuerprogrammebedient werden sollen.
Am ausgefeiltesten ist sicherlich der Bot für die Steuerbescheid-Prüfung. Dabei wird der gescannte oder vom Finanzamt elektronisch zugeleitete Steuerbescheid zunächst über ein vordefiniertes Verzeichnis beim Posteingang auf dem Server der Kanzlei abgelegt. Anschließend wird der sog. „Regelwerkassistent“ gestartet und der Anwender erfasst nur die Daten, die tatsächlich für die Steuerbescheid-Prüfung benötigt werden. Ein Drittel aller Felder wird durch den Bot bereits vorausgefüllt, was die Erfassungszeit pro Steuerbescheid auf etwa 15 bis 20 Sekunden reduziert. Im Ergebnis ergeben sich circa 30 redundante Datenfelder, die vom Mitarbeiter nun nicht mehr ausgefüllt werden müssen.
Abbildung 3: DATEV-Eigenorganisation als zentraler Anlaufpunkt in der Steuerkanzlei
Letztlich bestand die vornehmliche Zielsetzung bei der Entwicklung dieses Use Cases darin, alle redundanten Informationen zu identifizieren, das DATEV-Programm weitestgehend zu automatisieren und die Schriftgutverwaltung der DATEV entsprechend zu überarbeiten und anzupassen. Ebenso waren die „Brücken” zur DATEV-Software zu bestimmen und mit entsprechenden Einstellungen in DATEV für den Use Case zu bestücken. Wurde der Steuerbescheid erfasst, erstellt der Bot im weiteren Verlauf eine Aufgabe für den Mitarbeiter sowie ein personalisiertes Mandantenanschreiben und stellt dieses als Postausgang im Dokumentenmanagementsystem bereit. In einer Pilotkanzlei, die organisatorisch und technisch vor der Prozessstandardisierung und -automatisierung bereits gut organisiert war, konnte so ein Einsparpotenzial von einem FTE bei fünf Mitarbeitenden erreicht werden.
Mitarbeiter mitnehmen und Ängsten entgegenwirken
Auch wenn aus Sicht der Geschäftsführung die Vorteile von RPA auf der Hand liegen, von Mitarbeitern werden diese häufig mit Skepsis betrachtet. Umso wichtiger ist es, den Mitarbeitern zu transportieren, dass RPA den Menschen nicht ersetzen soll. Vielmehr geht es darum, den Roboter aus dem Menschen zu entfernen.2 Folgende Maßnahmen können dabei helfen:
- Offene Ansprache der Vorhaben zur Automatisierung.
- Gewinnen von „Automatisierungs-Champions“ im Unternehmen, deren Begeisterung andere motiviert.
- Darstellen von Beispielen, wie Mitarbeiter entlastet und nicht entlassen werden.
- Fördern von Mitarbeiter durch Fortbildungen zur Automatisierung und damit Stärkung der Qualifikation und des Selbstbewusstseins.
- Ideensammlung zur Automatisierung direkt bei den Mitarbeitern und Demokratisierung des gesamten Automatisierungsprozesses.
- Verteilen von kurzen Videos, die die Bots bei ihrer Arbeit zeigen.
Mehrwert RPA
Der Einsatz von RPA wird häufig mit den damit einhergehenden Kosteneinsparungen bzw. der Hebung von Prozesseffizienzen begründet. Dies greift allerdings deutlich zu kurz. Neben einer Optimierung des Arbeitsablaufes ermöglicht der Einsatz von RPA insbesondere eine Steigerung der Beratungs- und Servicequalität. In Steuerkanzleien verschwenden hochqualifizierte Mitarbeiter oft Zeit für einfache Verwaltungstätigkeiten. Der gezielte Einsatz von RPA befreit Mitarbeiter von repetitiven und einfachen Aufgaben. Darüber hinaus erhöht sich durch die Automatisierung der Prozesse die Anwenderfreundlichkeit bereits genutzter Programme. Zeitaufwendige und ermüdende, da regelmäßige und gleichbleibende, Arbeiten werden durch die Software erledigt, was zugleich ein positives Mindset initiiert. Diese frei werdenden Ressourcen lassen sich in qualifizierte Tätigkeiten investieren und so lässt sich auch einer etwaigen Personalknappheit entgegenwirken. Der Anwender kann sich entsprechend voll und ganz auf echte Herausforderungen konzentrieren.
Durch den Einsatz von RPA-Bots können Daten 24/7 verarbeitet werden. Eine daraus resultierende schnellere Datenerfassung führt so zu einer wesentlich kürzeren Reaktionszeit gegenüber denMandanten. Die Daten sind bereits zum Zeitpunkt des Beratungsgespräches vorhanden. So wird aus der notwendigen „Compliance-Erledigung” eine „Steuerberatung in Echtzeit“. Dazu arbeiten RPA-Bots stets regelbasiert und gleich. Ermüdende Routinearbeiten, die durch Menschen ausgeführt werden, sind oftmals fehleranfällig. Durch den Einsatz von Bots kommt es zu keinen Erfassungs- und Verarbeitungsfehlern, da der Bot keine Ermüdungserscheinungen hat. Die Datenqualität lässt sich damit erheblich verbessern. Schließlich lassen sich die Compliance- Aufgaben des Steuerberaters, die eine Vielzahl verschiedener elektronischer Übermittlungen an Finanz- und anderen Behörden beinhalten, standardisieren und automatisieren. Das Vergessen einer rechtlich verpflichtenden Übermittlung kann somit weitestgehend ausgeschlossen werden.
Fazit
Der Einsatz von RPA in der Steuerkanzlei von morgen legt Automatisierungspotenziale in der Anwendungssoftware offen. Gleichzeitig reformiert RPA die Bearbeitungsprozesse, sodass die beratende Tätigkeit an Wertigkeit und Akzeptanz gewinnt.
Repetitive Tätigkeiten lassen sich reduzieren und damit Zeit für hochwertige Service- und Beratungsleistungen gewinnen. Beschleunigend kann sich dabei der Einsatz einer vorhandenen RPA-Anwendungs-Bibliothek auswirken. Die Automatisierung von Prozessen in der Steuerberatung ist somit nicht länger eine Frage der technischen Umsetzbarkeit, sondern des Willens und Wollens.
Vorteile des RPA-Einsatzes in Steuerkanzleien:
- Geringere Kosten
- Schnelligkeit
- Verbesserte Compliance
- Skalierbarkeit und Wachstum ohne zwingende Erweiterung der Back-Office-Funktionen
- Zufriedenere Mitarbeiter und höhere dauerhafte Kanzleibindung
- Bessere Servicequalität
- Servicekonsistenz
- 24/7-Services
- Schnellerer Zugriff auf die Unterstützung qualifizierter MitarbeiterWettbewerbsvorteile bei der Mitarbeiterakquise, da der Arbeitsplatz frei von redundanten Tätigkeiten ist